„Vater-Mutter-Kind“ als One Way-Lösung?!: Für mehr Chancengleichheit und Realismus in deutschen Adoptionsverfahren

Die Anzahl der Adoptionen stagniert und hat sich seit 1991 halbiert. Hinzu kommt, dass sich die meisten Adoptionsprozesse innerhalb von Familien abspielen – also über die Hälfte der Adoptionen geschieht durch Stiefväter oder Stiefmütter.

Die Entwicklungen der Reproduktionsmedizin stellen hierbei eine mögliche Begründung des Rückgangs dar. Doch verweist ein genauerer Blick auf den Ablauf sowie die notwendigen Voraussetzungen einer Adoption in Deutschland darauf, dass auch in Zeiten des Fortschritts und der zunehmenden Individualisierung sowohl rechtliche als auch gesellschaftliche Hürden einer erfolgreichen Adoption im Wege stehen.

„Die Annahme als Kind ist zulässig, wenn sie dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, daß zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind Verhältnis entsteht“ legt das BGB (§ 1741 (1)) fest.

Adoptieren dürfen verheiratete Paare nur gemeinsam. Umgekehrt kann ein unverheiratetes Paar ein Kind nicht gemeinsam adoptieren. Die Praxis zeigt, dass alleinstehende Personen deutlich schlechtere Chancen haben, indem sie nicht das vorherrschende Idealbild „Vater-Mutter-Kind“ erfüllen.

Neben dem Familienstand fallen im Adoptionsbewerbungsprozess gleichermaßen die Vermögensverhältnisse, die Wohnsituation, der physische und psychische Gesundheitszustand oder die partnerschaftliche Stabilität ins Gewicht. Einkommenssteuerbescheide, Gesundheitszeugnisse, polizeiliche Führungszeugnisse, Vermögensnachweise, Lebensläufe und Eignungsgutachten sind verpflichtend, damit eine Chance auf notarielle Beurkundung und die Zustimmung des Vormundschaftsgerichts besteht.

Auch gesellschaftlich zeigt sich nach wie vor, dass die Thematik der Adoption und eine Familie mit adoptierten Kindern nicht dem sozial vorherrschenden Bild der Normalfamilie entsprechen und folglich oftmals der Stigmatisierung ausgesetzt sind. Der rechtliche Weg bestärkt dies in seinem Versuch, ein gutes Eltern-Kind Verhältnis durch einen starren Kriterienkatalog zu erreichen.

Mit Blick auf die Paare und Einzelpersonen, die einen Kinder-/Adoptionswunsch haben und mit Blick auf die Kinder, die aus verschiedensten Gründen eine andere Familie als ihre Herkunftsfamilie brauchen: Im Gegensatz zur natürlichen Geburt wird beiden Akteuren im Rahmen der Adoption Chancengleichheit aberkannt. Daher fordern wir:

  • Die Adoption in Deutschland soll unabhängig von festgelegten Familienkonstellationen und Gesellschaftsbildern möglich sein. Dafür braucht es eine grundlegende Reform des Adoptionsvermittlungsprozesses sowie seiner Voraussetzungen. Es geht hierbei nicht um den gänzlichen Wegfall der „Eignungsprüfung“, sondern einen verstärkt individuellen Fokus des Verfahrens auf die Eltern-Kind-Beziehung – unabhängig von Eigentum oder Stabilität/Gestaltung einer Partnerschaft. Hierzu braucht es besonders auf rechtlicher Ebene einen Abbau der Hürden, welcher maßgeblich von verschiedenen Experten entworfen und bewertet werden muss (Pädagogik, Psychologie, Bildungs- und Erziehungswissenschaften, Medizin, Politik, Recht etc.).
  • Grundlegend soll die Adoption somit auch unverheirateten Paaren zugänglich gemacht werden, um so erhebliche rechtliche und persönliche Nachteile zu verringern.
  • Das Etablieren eines vielfältigen Verständnisses von Familie beginnt schon in der frühkindlichen Phase: Das Thema Adoption sollte, ähnlich wie Regenbogen  oder Patchworkfamilien in der frühkindlichen und schulischen Erziehung berücksichtigt und in entsprechende Programme integriert werden.
  • Enttabuisierung der Adoption: Adoptiveltern und Adoptivkinder sind nicht weniger Familie als in leiblichen Verwandtschaftsverhältnissen. So wie zurecht über Reproduktionsmedizin oder Abtreibung aufgeklärt wird, sollte dies auch im Feld der Adoption geschehen. Dazu zählen unter anderem spezifische Informationsangebote für Adoptionswillige und Auslandsadoptionen oder die Unterstützung in Adoptionsfragen durch Kinderwunschzentren, Familienzentren und Mediziner.